Heute schon mit den Nacktschnecken gesprochen?

Eike Braunroths "Kooperation mit der Natur®"

Gralswelt – Zeitschrift für Geisteskultur und ganzheitliche Zusammenhänge, Heft 24/Juli-September 2002, S. 6-9, Autor: Werner Huemer

"Hätte der Mensch nicht so arg in seiner Bestimmung versagt, so würde vieles, alles heute anders aussehen! Auch der sogenannte ,Kampf’ wäre nicht in dieser Form zu finden, wie er jetzt sich zeigt. Der Kampftrieb wäre veredelt, vergeistigt durch den aufstrebenden Willen der Menschen. Die ursprüngliche rohe Auswirkung hätte sich, anstatt wie jetzt sich zu verstärken, durch den geistigen, rechten Einfluß mit der Zeit gewandelt zu gemeinsamem, freudigem Antriebe der gegenseitigen Förderung, welche derselben Kraftstärke bedarf wie der heftigste Kampf. Nur mit dem Unterschiede, dass bei dem Kampf Ermattung kommt, bei Förderung jedoch in Rückwirkung noch hohe Steigerung."

Abd-ru-shin (aus: "Der Kampf in der Natur", Gralsbotschaft, Band 2)

Unter welchen Umständen endet Ihre Tierliebe? Angesichts der Nacktschnecken-Kolonien, die sich zum Marsch auf die besten Salatköpfe des Gartens rüsten? Im Gedenken an die Wühlmäuse, die die letzte Kartoffelernte radikal dezimierten? Oder wenn die laue Sommernacht zum Feldzug gegen angriffslustige Mücken- und Gelsenschwärme mutiert? Endet Ihre Tierliebe bei lästigen Fliegen, wohnungsinternen Ameisenstraßen, Blattläusen, Zecken?

Irgendwo ziehen die meisten Menschen für sich eine Grenze. Tierliebe ja – solange sie Pferde, Hunde oder Katzen betrifft, vielleicht noch bei Hühnern, Kühen, Schafen, Schweinen, Goldhamstern. Aber darüber hinaus? Auch wer im Herzen erfahren hat, dass alle Tiere bewußte Wesen sind, die ein Anrecht auf ihren Lebensraum haben, tut sich in der bedingungslosen Umsetzung dieser Erkenntnis meist schwer. Wer könnte die lästigen, gefährlichen "Quälgeister", die offenkundigen "Schädlinge" unter den Tieren auch wirklich lieben? Und außerdem: Zeigt sich nicht überall in der Natur ein Kampf auf Leben und Tod? Üben wir Menschen nicht einfach das natürliche Recht des Stärkeren aus, wenn wir zur Wahrung unseres eigenen Lebensraumes Wühlmäuse jagen, Nacktschnecken zerschneiden oder Läuse vergiften?

Eike Braunroth, Naturforscher und Psychologe, sagt dazu nein. Nach jahrzehntelanger gründlicher Beobachtung und Erfahrung kam er zu dem Schluß, dass der Mensch, so er es nur will, auch eine ganz andere Beziehung zu seinen Mit-Lebewesen aufbauen kann. Immer wieder fand er bestätigt, dass Tiere auf unsere eigene gedankliche Ausrichtung reagieren. Demnach begünstigt eine Haltung, die von Ängsten oder Aggressionen getragen ist, beispielsweise Änderungen im Freß- und Populationsverhalten von Schädlingen: Sie ernähren und vermehren sich in einer Art, wie wir es uns nicht wünschen.

Schädlinge? Diesen Begriff, der eine deutliche Grenze für unsere Tierliebe markiert und im Hintergrund vieler Kleinkriege zwischen Mensch und Tier steht, läßt Eike Braunroth auch gar nicht gelten: "Das Schädling-Nützling-Denken ist eine Bewertung, von der man wegkommen sollte", sagt er – und plädiert für einen völlig neuen Ansatz für den Gartenbau bzw. die Landwirtschaft. Er nennt seinen Weg, den er seit mehr als 30 Jahren erfolgreich in Seminaren, Zeitschriften und Büchern vermittelt, "Kooperation mit der Natur". Dabei geht es darum, eine grundlegend neue Beziehung zu den bislang unerwünschten Eindringlingen und Mitfressern aufzubauen: "Ich möchte die Menschen dazu anregen, dass sie zunächst einmal eine neutrale Haltung einnehmen. Danach kann sich allmählich auch Sympathie bilden, bis hin zur Liebe. Das Interessante ist, dass die Tiere darauf reagieren."

Und dieses wohlwollende Verhalten, das in eine echte Beziehung münden kann, läßt sich tatsächlich jeder Art von Lebewesen entgegenbringen – eben auch den gefürchteten Nacktschnecken. Sie waren es übrigens, die Eike Braunroth vor Jahren zum Umdenken anregten. Denn wie so viele andere war der damalige Junggärtner oft damit beschäftigt, das unliebsame Kriechgetier aus dem Weg zu räumen, wobei er dies stets als ziemlich abscheulich empfand. Und irgendwann mußte er sich an seine eigene Kindheit erinnern: In der Welt von damals, in der ihm auch der Blick hinter die äußeren Formen erschlossen war, als er Elfen und Gnomen beobachten konnte, gab es keine Schädlinge. Jede der vielen Tier- und Pflanzenarten, die er schon kannte, hatte einfach ihre bestimmte Aufgabe, ihren Lebensraum, ihren ganz besondern Sinn in der großen Schöpfung. Eine Einteilung in Freund und Feind war dem Jungen fremd. "In der Erinnerung daran habe ich, als ich so Mitte 20 war, angefangen zu forschen", erzählt er. "Und bei meinen Versuchen konnte ich erleben, dass die Tiere auf mein Verhalten, auf meine Einstellungen, Vorlieben und Abneigungen reagieren."

Die dabei gewonnenen Erfahrungen klingen beinahe unglaublich: "Um ein Beispiel zu nennen: Ich habe einmal 30 Salatpflanzen gesetzt und habe mit den Naturwesen abgesprochen: 10 Prozent für sie und den Rest für mich. Tatsächlich haben sich die Tiere genau auf diese drei Salatköpfe beschränkt. Das erste Pflänzchen war schon über Nacht weg, das zweite blieb so ungefähr vier Wochen stehen, und das dritte blieb, bis der Blütenstengel sich ausbildete und nach oben ging. Ich öffnete dann die Blätter um hineinzuschauen und entdeckte eine Schnecke, die darin ihre Wohnung eingerichtet hatte."

dass dies nichts mit Zufall zu tun hatte, wurde bald klar. Denn Eike Braunroth – und mit ihm viele Gartenfreunde, die sich inzwischen der "Kooperation mit der Natur" verschrieben – machten immer wieder diese zentrale Erfahrung: Wenn es gelingt, den Tieren echte Zuneigung entgegenzubringen, Verständnis für deren Bedürfnisse, verbunden mit einer Selbstverpflichtung, sie zu schützen, wenn mit ihnen auf der Basis einer ehrlichen und gerechten Kooperation ein regelrechter "Vertrag" ausgehandelt wird, und wenn die Menschen ihren Teil dieser Vereinbarung auch wirklich bewußt leben, dann reagieren sehr schnell auch Garten-Mitbewohner anders. Jeder Kampf gegen sie, sei es mit technischen, chemischen oder auch biologischen Mitteln, erübrigt sich ebenso wie der Begriff des "Schädlings".

Der "Königsweg" zu den Ufern eines neuen Miteinanders, den Eike Braunroth in seinen Seminaren vermittelt, hat vier Eckpunkte: Es geht um Kontakt, Kommunikation, Kooperation – und zuletzt um wahre, umfassende Liebe dem Werk Gottes gegenüber, um das Bewußtsein, dass alle Tierarten in der Schöpfung genauso wertvoll sind wie der Mensch.

Allerdings kann der Weg bis zu dieser Erkenntnis mühsam sein, denn wer sich mit dem Gedankengut des "Vorreiters für spirituellen Gartenbau", wie Eike Braunroth manchmal bezeichnet wird, näher beschäftigt, merkt schnell, dass hier keine abgrenzbare Technik gelehrt wird, sondern Verhaltensänderungen angeregt und Weltbilder korrigiert werden. Eine tiefgreifende Arbeit ist also nötig, die den Einzelnen dazu zwingt, vorerst einmal bei sich selbst anzupacken. Dann – und nur dann – stellt sich der Erfolg ein.

Doch wenn dieser sichtbar wird, zeigt sich darin immer wieder das Wunder des Lebens, die Tatsache, dass alles mit allem in Verbindung steht bzw. dass unser bewußtes Wollen auch andere bewußte Lebensformen beeinflußt. "Es war für mich ein Erlebnis, das man nicht beschreiben kann", erzählt beispielsweise Ing. Siegfried Schmid, Leiter des botanischen Gartens der Stadt Linz (Oberösterreich). Er bemüht sich seit einigen Jahren erfolgreich um die "Kooperation mit der Natur" und konnte nach einigen erfreulichen Erfahrungen mit Nacktschnecken im Vorjahr auch erstmals seinen Kirschenbaum abernten. Zuvor hatten ihm die Amseln regelmäßig mit größtem Appetit alles weggefressen. Die Vereinbarung, die er daraufhin traf, lautete sinngemäß: Die Kirschen des oberen Bereiches, liebe Baumgäste, gehören Euch, den unteren aber überlaßt bitte bis zur Ernte mir. "Die Amseln haben sich genau daran gehalten, die Früchte blieben unberührt. Wir konnten im Vorjahr kiloweise Kirschen ernten. Nach der Ernte war dann allerdings in kürzester Zeit alles abgefressen."

Natürlich sprechen sich solche Erfahrungen herum – zumal, wenn sie von einer Person des öffentlichen Lebens weitergetragen werden, die noch dazu "beruflich naturverbunden" ist. Ob er denn keine Sorge hat, von weniger kooperativer Seite als Spinner bezeichnet zu werden? Siegfried Schmid winkt ab: "Wer biologischen Landbau betrieben hat, wurde früher einmal auch als Spinner bezeichnet."

Natürlich mögen die Erfolge, auf die dieser Weg verweisen kann, für den naturentfremdeten Menschen des 21. Jahrhunderts spektakulär, ja, unglaublich erscheinen. Mit Nacktschnecken, Wühlmäusen oder Kartoffelkäfern zu sprechen, mit ihnen "etwas zu vereinbaren, das unabänderliche Bindekraft hat, die Naturwesen um etwas zu bitten oder einen Herzenswunsch zu äußern" (Braunroth), das klingt wohl für die meisten Menschen ein wenig nach Hirngespinst. Oder doch nicht?

Auffallend ist, dass sich die Seminare des Naturforschers – im Rahmen eines solchen kam übrigens die vorliegende GralsWelt-Reportage zustande – anhaltender Beliebtheit erfreuen. Seine Veranstaltungen werden von Heimgärtnern ebenso gern gebucht wie von den vielen Landwirten, die heute nach neuen Wegen suchen. Vielleicht weiß, spürt oder ahnt man ja doch irgendwie, dass unsichtbare Kräfte aus dem Wollen eines jeden Menschen formend hinaus in die Welt strömen und dass es alles andere als gleichgültig ist, mit welcher Art von Innenwelt wir der Außenwelt begegnen.

Abd-ru-shin wies in seiner "Gralsbotschaft" schon vor rund 75 Jahren auf die weitreichenden Einflüsse hin, die das menschengeistige Wollen auf die Natur hat. Er erklärte unter anderem, dass das, was wir als "Kampf in der Natur" bezeichnen, in Wirklichkeit Ausdruck einer großen, natürlichen Triebkraft ist, die alle Kreatur zur steten Wachsamkeit drängt und daher der Bewußtseinsförderung dient. Eben dieser Kampftrieb aber könnte "durch den aufstrebenden Willen des Menschen veredelt und vergeistigt" werden (vgl. Einleitungszitat), so dass zuletzt ein "paradiesischer Zustand" eintritt "für alle Kreaturen, wo kein Kampf und keine anscheinende Grausamkeit mehr nötig ist!"

Aus diesen Zusammenhängen wird klar, dass wir durch unseren derzeit eben nicht aufstrebenden, sondern leider oft dem Materiellen verhafteten Willen die rohe Kampfbereitschaft in der Tierwelt fördern statt veredeln. Daraus ergeben sich jedoch nicht nur allseits beklagte Fehlentwicklungen, wie zum Beispiel die gezielte Züchtung besonders aggressiver Kampfhunde, sondern auch weniger offensichtliche – wie eben zum Beispiel unser Kleinkrieg im Hausgarten.

Eike Braunroth – er ist beruflich als Pädagoge tätig und führte viele Jahre lang eine psychologische Praxis – ist nicht nur davon überzeugt, dass unsere Ab- und Einsichten die Tier- und Pflanzenwelt entscheidend beeinflussen. Er weiß auch, dass manches aggressive Verhalten, das wir bestimmten Tieren gegenüber an den Tag leben, viel mit "abgelehnten Persönlichkeitsanteilen" zu tun hat. Eigenarten, die der Mensch an sich selbst ablehnt, werden auf "Schädlinge" projiziert, und der daraus folgernden Angst wird mit blindem Kampf begegnet. Man tritt der "Gier", der "Gefräßigkeit", der "Vermehrungsfreudigkeit" des "Feindes" mit chemischer Potenz entgegen – und sorgt damit natürlich für eine entsprechende Gegenreaktion, die im Tier- und Pflanzenreich immer rein naturgesetzmäßig erfolgt.

Angstgefühle beispielsweise können Pflanzen schwächen, wodurch gleichzeitig wiederum Organismen angezogen werden, die die Pflanze essen. Doch es liegt an uns Menschen, diesen Kreislauf zu durchbrechen – wie es zum Beispiel ein Landwirt tat, dessen Christbaumzucht akut durch die Fichtenblattwespe gefährdet war: "Der Mann hat zwei Hektar Land", erzählt Eike Braunroth, "und kämpfte im Vorjahr erfolglos gegen die Fichtenblattwespe, die ihre Eier in die Spitzentriebe der jungen Fichte legt. Die Raupe frißt sich dann durch die Triebe, und der Baum verkrüppelt. Er wird zum Besen mit drei oder vier Spitzentrieben, den man nicht mehr als Christbaum verkaufen kann. Dieser Landwirt war mit seiner Frau bei meinem Seminar und hat die Kooperation daraufhin gleich angewendet. Vor kurzem sagte er mir, dass er im letzten Jahr null Schaden hatte."
Auf diese Art wurde schon für manchen Menschen gerade der aufreibendste "Schädling" – und eben mit ihm sollte die Kooperation beginnen! – zum Schlüssel für ein neues Natur- und Selbstverständnis. Klar ist, dass es bei den "Vertragsvereinbarungen" mit Nacktschnecken, Borkenkäfern oder Blattläusen, auch wenn sie in Worte gefaßt werden oder vielleicht in Zahlen bzw. Anteilen zum Ausdruck kommen, nicht wirklich um das Gesprochene oder Geschriebene geht. "Die Sprache spielt keine Rolle, auch die Gedankensprache nicht, sondern die innere Einstellung und die Absichten", sagt Eike Braunroth.

Und weil die "Kooperation mit der Natur" letztlich eine Bewußtseinsleistung ist, empfiehlt der Naturforscher auch jedem, der es ernsthaft versuchen will, sich nie zuviel zuzumuten: Mit einem Tier, mit einer gefährdeten Lieblingspflanze beginnen, auf einem überschaubaren Teil des Gartens oder der Landwirtschaft. Ganz nebenbei mag ein neuer Zugang zur Natur auch zu anderen Erkenntnissen führen – etwa dahingehend, dass uns Menschen des 21. Jahrhunderts eine überwiegend vegetarische Ernährung eigentlich sehr gut tun wurde. Und die damit veränderte Blutqualität wirkt sich, so eine weitere Beobachtung von Eike Braunroth, abermals auf unser Verhältnis zu unliebsamen Zeitgenossen aus dem Tierreich aus: Gelsen und Zecken beispielsweise bevorzugen "saures Blut" und fühlen sich darüber hinaus durch aggressives oder angstvolles menschliches Verhalten besonders eingeladen.

Eine friedvolle Welt der Begegnung, des harmonischen, fördernden Miteinanders von Mensch und Tier –um diesem Anspruch Schritt für Schritt näherzukommen, muß sich vorerst eine Veränderung im Seelenleben der Menschen vollziehen, das Bewußtsein, als ein Teil geborgen zu sein im großen Ganzen, eine neue Werteorientierung, die nicht die besten Verdienstmöglichkeiten, sondern die größtmögliche Naturverbundenheit in den Vordergrund stellt. "Ich versuche, die Erwachsenen wieder in ihr Kindsein zurückzuführen", sagt Eike Braunroth. "Sie sollten das Kind, das in ihren steckt, wieder zulassen, ihre Kindlichkeit erwecken, die Kreativität, die Einfachheit, den Sinn für das Schöne."

Gelungen dürfte das dem Psychologen bei einer begeisterten Seminarteilnehmerin sein, die ihm eine Nacktschnecke aus Ton zum Geschenk machte – jene Tierart, mit der auch sie ihren Frieden schloß. Und gelungen dürfte ihm das auch bei einem Großgärtner sein, der vor zwei Jahren ein Sommerfest für Blattläuse veranstaltete, zu dem er neben seinen Freunden aus dem Tierreich auch 120 Kunden und Bekannte einlud. Dabei wurde Musik gespielt, und der örtliche Pfarrer hielt eine Ansprache für Tiere. Gut, auf der Einladung war sicherheitshalber allgemein "Ein Fest für Tiere" gestanden, schließlich sollte ja niemand abgeschreckt werden. Aber was soll’s? Den Blattläusen scheint es gefallen zu haben. Eine Woche, nachdem der Gärtner in seinem Gewächshaus mit der Kooperation begonnen hatte, waren dort keine mehr anzutreffen.

Werner HUEMER

Informationen und Kontakt:
Eike Braunroth, Postfach 1101, D 97697 Münnerstadt/Unterfranken, Tel: +49 (0)6405-1512.

Literatur:
Eike Braunroth: "Heute schon eine Schnecke geküßt?" (Neuauflage des Werkes: "In Harmonie mit den Naturwesen in Garten, Feld und Flur", OLV-Verlag, Xanten, 1997

Zeitschrift "Einsicht – Nachrichten der Kooperation mit der Natur", herausgegeben vom Verein Kooperation mit der Natur®

Hinweis der Redaktion:
Ein ausführliches Interview mit Eike Braunroth finden Sie im kommenden GralsWelt-Themenheft 10: "Vom Wesen der Tiere".